Beluga-Kaviar für Häftling Nr. 5
Albert Speer bei einer Waffenvorführung im Oktober 1943 (© Bundesarchiv, Bild 183-J15733 / CC-BY-SA 3.0)
Häftling Nr. 5 trat am 18. Juli 1947 die 20-jährige Haftstrafe im Kriegsverbrechergefängnis der Alliierten in Berlin-Spandau an. Einer von jenen sieben Notabeln des »Tausendjährigen Reiches«, die in Nürnberg dem Galgen entronnen und vom alliierten Siegergericht zu Haftstrafen von zehn Jahren bis lebenslänglich verurteilt worden waren. Bewacht von 400 Soldaten und 50 Wärtern hatte Nr. 5 eine Zelle von 3 Meter Länge und 2,70 Meter Breite.
Hier organisierte der ehemalige Organisator der großdeutschen Rüstungsindustrie, Generalbauinspektor der Reichshauptstadt Berlin und Reichsminister für Bewaffnung und Munition Albert Speer seine zweite Karriere als internationaler Bestsellerautor und weltweit gefragter Interviewpartner zum Thema »Drittes Reich«. Unterstützt von dem Verleger Wolf Jobst Siedler und dem Publizisten Joachim Fest entstand der Speer-Mythos: Die Selbststilisierung Speers zum unpolitischen Technokraten, der von nichts wusste, aber hätte wissen können. Ein vom tatsächlichen Unrat des Nazi-Regimes reingewaschener Autor konnte so dem Publikum präsentiert werden und für Millionenauflagen sorgen.
Beim Haftantritt war Speer zunächst mittellos, das Familienvermögen beschlagnahmt worden. Frühere Mitstreiter und Mitarbeiter sammelten für ihn. Ein sogenanntes »Schulgeldkonto« wurde eröffnet. Das ersammelte kleine Vermögen wurde für die Ausbildung der sechs schulpflichtigen Kinder Speers verwendet, diente darüber hinaus dazu, dem Häftling seinen Haftaufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten - »die Lieferung der vier Gewahrsahmsmächte gewissermaßen anzureichern«. Es fand Gänseleberpastete ebenso ihren Weg in die Zelle des Ex-Rüstungsministers wie französischer Champagner in halben Flaschen, auch russischer Kaviar gehörte dazu. Nicht wenig erstaunt mag der Kopf dieser »Außenorganisation Spandau« Rudolf Wolters gewesen sein, als Häftling Nr. 5 mit der Zeit immer wählerischer wurde. Als Wolters ihm einmal den etwas günstigeren Preßkaviar schickte, kam der Hinweis aus Spandau: in Zukunft nur noch Beluga und zwar frisch.
Der englische Geheimdienstmann und spätere Oxford-Historiker Hugh R. Trevor-Roper, der Speer 1945 im Schloss Kransberg vernommen hatte, sagte damals voraus: »Vielleicht werden zukünftige Historiker Albert Speer einmal als den wirklichen Verbrecher Nazi-Deutschlands ansehen.«